Gastkommentar

 von Gunther Pohl

Zuerst erschienen in: clarino.print, Nr. 12/2004, Seite 5

 

Gegen halb elf komme ich von der Bühne, so beflügelt, wie man als Flötist nach Dvoraks achter Sinfonie eben sein kann, da stürmen zwei Frauen auf mich zu: "Das klang wunderbar, was für eine Flöte spielen Sie denn?" Es ist, berichte ich, eine Helmuth Hammig von 1968, unter abenteuerlichen Umständen aus Amsterdam importiert. Für die Frauen erklärt das alles. Muss ja gut klingen – bei dem Instrument.

 

Tatsächlich hätte ich auf jeder Flöte in Takt 18 des ersten Satzes das g’’ aus dem Nichts entwickelt, im zweiten Satz in Takt 12 im Pianissimo geseufzt und im vierten Satz ab Takt 75 die ganze Dynamik des großen Solos ausgeschöpft. Das alles haben die Damen gehört und dachten dabei weniger an mein Spiel als an die tolle Flöte.

 

In Zeiten, da viele von uns auf Konsum verzichten und gegen Alter und Krankheit ansparen müssen, sollten sich Flötisten ermuntert fühlen, beim Instrument zu knausern. Für ein preiswertes Instrument muss man weniger arbeiten und kann daher länger üben: eine gute Investition. Denn allzu oft wird der kleine oder verrauschte Ton auf die Flöte geschoben. Ein großes Forte in der Tiefe, ein sauberes Pianissimo in der Höhe verspricht man sich vor allem vom Instrument. Tatsächlich kommen diese Qualitäten zuerst vom Spieler.

 

Unbestritten beflügelt ein neues und gutes Instrument. Es macht mehr Spaß, darauf zu spielen, und wer mehr Spaß hat, wird mehr üben. Dann klingt es auch besser. Wichtiger aber ist es, ein Instrument zu finden, das zu einem passt und auf dem man seine tonlichen Ziele erreicht. Es gibt keinen Grund, Goldflöten zu glorifizieren, weil sie gut aussehen, weil man sie nicht putzen muss oder weil James Galway eine spielt. Sie klingen keineswegs nuancierter, größer oder subtiler als Silberflöten. Wer das nicht glaubt, dem empfehle ich einen Blindversuch. Lassen Sie zwei verschiedene Instrumente mehrmals hintereinander in zufälliger Reihenfolge spielen: Erkennen Sie die Goldflöte wirklich?

 

Und so nehme ich mir vor, beim nächsten Mal die Wahrheit zu sagen: Ich spiele zwar eine exzellente Flöte, aber reinblasen muss ich noch selber.